Pilze – verwoben mit dem saftig verrottenden Netzwerke der Erde
/in Mythologie, Naturverbindung/von katharinaEs gibt etwas Magisches an dieser Jahreszeit, wenn Spätsommer und Frühherbst sich abwechseln, die Stoppelfelder morgens manchmal Nebelkleider tragen und die Wälder und Felder mit einem Farbenmeer aus rotem, goldenem und orangefarbenem Laub verzaubern. Und während die Bäume in ihrem prächtigen Schmuck erstrahlen, geschieht etwas weniger Auffälliges, aber ebenso Faszinierendes am Boden: Die Pilze werden sichtbar!
Unter anderem darum liebe ich diese Jahreszeit. In den leisen Tiefen der Wiesen und Wälder spielen Pilze eine entscheidende Rolle in der Natur. Sie sind die stillen Helfer, die das Gleichgewicht in unseren Ökosystemen kreieren. Wir sehen sie so selten, obwohl wir beständig auf ihnen leben, wandeln, sie in uns tragen und sie uns verzehren…
Für mich sind Pilze faszinierende Wesen und Tore zu einer tieferen Verbindung mit der Erde. In vielen mythologischen Geschichten sind Pilze Symbole für Transformation und Verbindung. Ihre mysteriösen Formen und ihre Fähigkeit, im Verborgenen zu wachsen, erinnern an die Schleier zwischen den Welten. In manchen Geschichten werden sie mit Magie und dem Unbekannten in Verbindung gebracht, ein Symbol für das Mysterium der Natur selbst.
Pilze sind sowohl Zersetzer, als auch Vermittler. Sie kommunizieren mit den Pflanzenwurzeln, und ihre Mykorrhiza-Netzwerke sind die unsichtbaren Fäden, die das Leben unter der Erde verweben. Sie ermöglichen, zusammen mit vielen Anderen, dass aus einsmals lebendigem organischen Material neuer Humus wird für neues Leben. Oft, wenn ich einen Pilz sehe, versuche ich reinzuspüren, wie tief ich mit der Erde verbunden bin, selbst mit den unsichtbaren Teilen, die sich unter meinen Füßen erstrecken. Auf welche Weise ich beitrage könnte, mehr Humus zu werden für das zukünftige Leben auf der Erde.
Besonders der Fliegenpilz (Amanita muscaria) fasziniert mich. Seine leuchtend rote Farbe und die charakteristischen weißen Punkte ziehen mich an, meine Augen wollen ihn bewundern, ihm nahe sein, ihn streicheln. Auf irgendeine Art und Weise macht allein sein Anblick mich glücklich. Vielleicht strahlt er etwas rebellisches aus, so knallig und “gifitg” ausschauend? Dabei ist er gar nicht tödlich giftig.
In einigen indigenen Kulturen, insbesondere in Nordeuropa und Sibirien, wurde der Fliegenpilz von Schamanen in ihren rituellen Praktiken verwendet. Er half ihnen, in veränderte Bewusstseinszustände zu gelangen und mit Ahnen, Geistern oder der spirituellen Welt zu kommunizieren. Der Fliegenpilz enthält unter andere, Ibotensäure und Muscimol. Muscimol ist psychoaktiv und kann Halluzinationen verursachen. Momentan wird der Fliegenpilz als potenzielle Mikrodosis für therapeutische Zwecke vor allem bei Depressionen diskutiert. Insbesondere wird sein Inhaltsstoff Muscimol manchmal als Alternative zu anderen psychotropen Substanzen wie Psilocybin-Pilzen oder LSD in Erwägung gezogen.
Die Ibotensäure im Fliegenpilz macht ihn jedoch so unverträglich, dass schon kleine Mengen oder die falsche Zubereitung üble Nebenwirkungen auslösen können wie Erbrechen, Überlkeit, Leberschäden etc.
Daher ist mein Zugang eher auf der non-physischen Ebene: ich setze mich neben den Fliegenpilz und bin mit ihm. Versuche die Beziehung zu ihm durch “miteinander Zeit verbringen” zu pflegen. Wie bei einer Freundschaft auch. Und tatsächlich: je mehr Zeit ich mit ihm verbringe, desto mehr erfahre ich von ihm und er von mir. Ich mag das, so langsam eine Freundschaft aufzubauen.
In einigen Büchern habe ich auch spannende Geschichten über den Zusammenhang zwischen dem Weihnachtsmann (der interessanterweise eine rot-weiße Bekleidung trägt) und seine Rentiere gefunden, die durch den Konsum von Fliegenpilzen fliegen können und so seinen Schlitten durch die Lüfte tragen.
They appear overnight,
on the stump of a cedar tree.
What for, in the night,
do they use to live by?
What is the cottony, gilled thing
under the bud of the oak tree?
What is the big, woody stem
of that tree, that tree?
What is there that’s hauntingly sweet
and comes from the edge of the dark?
What is there that’s scented and female
and comes from the edge of the dark?
Why did the mushrooms come,
why do they startle me?
“Mushrooms” (Margaret Atwood)
Utiseta – Zeremonielles “Draussen Sitzen”
/in Meditation, Naturverbindung, utiseta/von katharinaAuf der Eingangseite dieser Homepage sowie in meinem ersten Blog-Post beschreibe ich utiseta als alte Praxis unserer germanischen, nordischen Vorfahren, raus in die Natur zu gehen und dort zu sitzen, mit der Mitwelt in Kontakt zu gehen. Das ist eine sehr verkürzte und oberflächliche Darstellung, die immer wieder zu Irritationen führt. Daher möchte ich heute ein wenig mehr dazu erklären:
Als vor 4 Jahren an meinem Sitzplatz im Wald das Wort “utiseta” zu mir kam, konnte ich zuerst nicht viel mit dem Begriff anfangen. Ich las und recherchierte und staunte, je mehr ich las.
Das „utiseta” (“Draußensitzen”) wurde bei den Germanen auch „sera uri il frodleiks” “Draußen sitzen, um Weisheit zu erlangen'” und „hloridorsaza” („Rufen-Sitzen*) genannt. Menschen der nordischen Kulturen sind im Rahmen einer Zeremonie alleine und individuell nach draussen gegangen, um mit ihren Vorfahr*innen in Kontakt zu gehen, von ihnen Rat zu erhalten, Antworten auf Fragen. Manchmal fand dies vor dem Grab der Toten statt oder auch an einer Weg-Kreuzung. Und baten die Toten um Rat und Hilfe.
In der Literatur finden wir Hinweise auf zeremonielle Utensilien wie Zaubersprüche und Zauberlieder, einen Zauberstab, einen besonderen Mantel oder auch Hinweise, dass die Menschen sich in Trance begaben oder. Ich habe keine klare Unterscheidung zwischen der inneren Reise der betenden / bittenden Person ins Jenseits zu den Ahn*innen und dem Herbeirufen der Ahn*innen aus dem Jenseits zu der betenden / bittenden Person gefunden. Jedoch habe ich auch Hinweise gefunden, dass nicht nur die eigenen Ahn*innen, sondern auch die Götter, vor allem Odin, „Herr der Totengeister”, dabei gerufen wurde.
Vor allem bei Krankheiten scheint man sich an die Ahn*innen gewandt zu haben. Zum Beispiel sagt eine Quelle, dass man ihnen ein hölzernes Abbild des Gliedes, das erkrankt war, brachte Man brachte den Toten auch „Lichter”, Speisen und andere Opfergaben – vermutlich als Dank für ihre Hilfe. Und dann gab es auch noch Hinweise darauf, dass es längere Aufenthalte beim utiseta gab, vielleicht ähnlich einer Art “Visionssuche”, wo die Menschen größere Visionen für sich und ihre Gemeinschaft suchten und erhielten.
Die utiseta Zeremonie, ob kurz oder lang, war vermutlich keine leichte Sache, es brauchte Vorbereitung, vielleicht wurde gefastet, es war körperlich vermutlich anstrengend und herausfordernd – und sei es nur, weil die klimatischen Herausforderungen auch Kälte und Niederschlag mit sich brachten. Zeremonien wie diese spielten als Teil des spirituellen Lebens vermutlich eine wichtige Rolle innerhalb der germanischen Kultur und haben den Menschen geholfen, Schicksalsschläge und herausfordernde Aspekte des Lebens zu akzeptieren und ihnen eine Bedeutung zu geben, um weitermachen zu können. Zeremonien wie diese waren eingebettet in eine zutiefst naturverbundene Kultur und Spiritualität. Später wurden diese Zeremonien dann von der Kirche verboten, darüber gibt es viele gut erhaltene Belege.
Als ich dies und noch mehr herausfand, war ich damals sehr bewegt – wie tief verbunden die Menschen damals mit ihrem Land und all den Lebewesen um sie herum, den Pflanzen, Tieren, Wolken, Steinen etc waren. Und wie verbunden sie auch mit ihren Vorfahren waren, welche wichtige Rolle sie in ihrem Alltag und ihrer Kultur gespielt haben. Es rührte stark meine Sehnsucht nach echter und tiefer naturverbundener Kultur und Spiritualität an, vor allem, weil ich selber fast nichts weiß über meine eigenen Vorfahren und über das Land, mit dem sie gelebt haben. Soviel ist verloren gegangen in den zwei Weltkriegen… soviel Entwurzelung und Haltlosigkeit.
Über Monate hinweg ging ich mit der Frage, ob mein Wirken in der Welt, mit dem ich genau für diese Kultur gehen will, sie neu und zeitgemäß mit anderen kreieren möchte, ob dieses Wirken in der Welt wirklich diesen Namen “utiseta” bekommen kann. Viele Gespräche mit Freunden und Beratern später zeigte sich deutlich in mir: ja, das ist es! Ich habe, weil ich aufgrund meiner Familiengeschichte sowenig weiß über meine Vorfahren, für mich einen Weg gefunden über meditative Gebete in der Natur in Kontakt zu kommen und möchte dieses Feld stärken. Voller Unsicherheit und Verletztlichkeit, was ich einlade, wenn meine Homepage diesen Namen trägt, und ob ich nicht zu unwissend bin, um das tun zu können, wagte ich dann den Sprung nach vorne und baute diese Seite auf.
Bis heute habe ich jedoch nicht wirklich darüber gesprochen, was ich herausgefunden hatte und was für mich utiseta ist. Denn in mir zeigte sich eine seltsame Angst: Angst in die rechte Ecke gedrückt zu werden, weil ich mich mit Germanen beschäftige. Eine Angst, nicht genug zu wissen, weil ich keine Historikerin bin. Eine Angst, nicht klar formulieren zu können, was utiseta gewesen sein könnte, weil es in unserer Kultur heikel sein kann, über Spiritualität, Gebete, Rituale und Zeremonien zu sprechen. Voller Unsicherheit, wie es gelingen kann, etwas neues und zeitgemäßes zu kreieren, aus der Landschaft heraus, vielleicht mit einer Beziehung zu dem was vor mir war aber ohne sich in alten Mythen und Bräuchen zu verlieren. Ich habe stattdessen versucht, eine möglichst allgemeine Formulierung über utiseta zu finden, die ich kommunizieren kann. Die möglichst viele Menschen einlädt, sich mit dem Draussen-Sein, dem in-Ruhe-und-Langsamkeit-draussen-sein zu beschäftigen. Vielleicht wird sich das jetzt ändern. Vielleicht ist es jetzt Zeit, nicht unbedingt von innen heraus, vielleicht wird es auch gebraucht. Hier und heute? Dieser Artikel ist ein erster Schritt.
Und was machen wir jetzt damit? Welche Zeremonien können wir heute kreieren, um die Verbundenheit mit der Landschaft und unseren Vorfahren zu kultivieren?
Meine Sehnsucht, einen winzigen Teil dazu beitragen zu können, grade in diesen ungewissen Zeiten in Kontakt mit der Mitwelt, der mehr-als-menschlichen Welt zu gehen, um wieder mehr innere Stabilität durch Verbindung zum großen und wechselhaften Lebensnetzwerk zu erlangen und dann von dieser inneren Stabilität auch die eigenen Ahn*innen um Hilfe zu bitten – diese Sehnsucht ist groß und trägt mich. Trägt mich durch all die Kurse, zu denen ich beitragen kann und durch all die Mentorings, an denen ich teilhaben kann.
Bin ich sicher, dass ich jetzt weiß, was utiseta ist und dass ich das Richtige tue?
Nein, das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Ich fühle mich nicht sicherer damit als vor ein paar Jahren. Ja, ich vertiefe jetzt schon seit Jahren meine eigene draussen-sein-Praxis.
Und was ich weiß: meine Sehnsucht, weiterzugehen wird nicht kleiner sondern größer. So reiche ich eine Hand meinen Ahn*innen und eine andere Hand den Menschen, die nach mir kommen werden, stehe mit nackten Füßen auf der Erde des Stückchen Landes, auf dem ich jetzt grade lebe, stecke meine Nase in den Wind all der Veränderungen und Krisen die grade da sind, hab Angst vor der Gegenwart, weine die Tränen der Trauer, und lache vor Freude über die Regentropfen auf den Spitzen der ausgedörrten Sommergräser.
Ich bitte euch von Herzen: wenn ihr Fragen, Kommentare, Hinweise, Kritik, Verbesserungen oder anderes habt, schreibt mir eine Mail über das Kontaktformular – ich freue mich auf eure Gedanken!
Mit dem Geruch von Sommerfeuchte und dem Meer von wilde Möhre Blüten auf unserer Wiese, Katharina
the summer day – poem by Mary Oliver
/in Achtsamkeit, Allgemein, Gedichte, Naturverbindung/von katharinaWho made the world?
Who made the swan, and the black bear?
Who made the grasshopper?
This grasshopper, I mean-
the one who has flung herself out of the grass,
the one who is eating sugar out of my hand,
who is moving her jaws back and forth instead of up and down-
who is gazing around with her enormous and complicated eyes.
Now she lifts her pale forearms and thoroughly washes her face.
Now she snaps her wings open, and floats away.
I don’t know exactly what a prayer is.
I do know how to pay attention, how to fall down
into the grass, how to kneel down in the grass,
how to be idle and blessed, how to stroll through the fields,
which is what I have been doing all day.
Tell me, what else should I have done?
Doesn’t everything die at last, and too soon?
Tell me, what is it you plan to do
with your one wild and precious life?
Mary Oliver
Everything is beautiful and I am so sad
/in Achtsamkeit, Gedichte, Naturverbindung/von katharinaSpring – Poem by Mary Oliver
/in Achtsamkeit, Allgemein, Gedichte, Naturverbindung/von adminSomewhere
a black bear
has just risen from sleep
and is staring
down the mountain.
All night
in the brisk and shallow restlessness
of early spring
I think of her,
her four black fists
flicking the gravel,
her tongue
like a red fire
touching the grass,
the cold water.
There is only one question:
how to love this world.
I think of her
rising
like a black and leafy ledge
to sharpen her claws against
the silence
of the trees.
Whatever else
my life is
with its poems
and its music
and its glass cities,
it is also this dazzling darkness
coming
down the mountain,
breathing and tasting;
all day I think of her -—
her white teeth,
her wordlessness,
her perfect love.
Spring – a poem by Mary Oliver
Kalahari 2020
/in Allgemein, Circlewise, Naturverbindung/von katharinaIm Januar / Februar 2020 war ich mit einigen Menschen aus dem Circlewise-Netzwerk zu Besuch bei den Juo/hansi in der Kalahari.
Wir wollten die Menschen dieser uralten Kultur besuchen, um von ihnen zu lernen – über das Mensch-Sein, über Naturverbindung, über Spurenlesen. Zudem wollten wir einen Film drehen, der die von den Juo/hansi frisch gegründete Tracker-School in Bildern einfängt.
Was ist Utiseta?
/in Meditation, Naturverbindung, Sitzplatz/von katharinaWas ist Utiseta?
Vermutlich ist Utiseta ein Wort für eine alte Praxis, die sich vor Tausenden von Jahren in unseren Breitengraden in Mitteleuropa hat. Die Menschen sind damals in die Natur gegangen und haben sich an eine Stelle gesetzt. Durch das ruhige Sitzen an einem Platz konnte sich ihr Geist und ihre Emotionen beruhigen. Sie konnten Kontakt aufnehmen zu ihrer Innenwelt und der natürlichen Welt um sie herum.
Ich gehe regelmäßig auf meinen Sitzplatz – das ist ein Platz in dem Wäldchen in der Nähe meiner Wohnung. Dort sitze ich, lasse die Gedanken kommen und gehe, schreibe Tagebuch oder versuche ein wenig Müßiggang zu betreiben. Sitze da und nehme wahr – rieche, schmecke, lausche, sehe, spüre…. was um mich herum geschieht und was in mir geschieht. Ich nehme Kontakt auf zu allem Lebendigen.