Mitgefühl ist keine rose Brille
/in Achtsamkeit, Meditation, Mitgefühl/von katharina„compassion is the antidote to anger, frustration and violence“
Dalai Lama
Was ist Mitgefühl? Diese Frage beschäftigt mich schon so lange. Es gibt unendlich viele Bücher, Videos, Kurse, Teachings über Mitgefühl. In den letzten 25 Jahren habe ich soviel dazu gelesen. Meine buddhistischen Bücher stapeln sich in meinem Regal. Und doch hab ich das Gefühl, ich hab es noch nicht richtig verstanden. Und ich stehe immer noch am Anfang, zu verstehen, was Mitgefühl eigentlich ist.
Oft frage ich mich, wie konnte das Prinzip von Mitgefühl so seltsam verzerrt werden in vielen westlichen Traditionen. Denn echtes Mitgefühl ist nicht die rosarote Brille, alles schön und fein zu finden. Das wird oft so praktiziert und ich glaube, die Intention dahinter ist vermutlich auch gut gemeint. Denn die unangenehmen Gefühle und Empfindungen rund um Wut, Trauer, Haß, Verzweiflung von uns selber oder anderen auszuhalten, ist anstrengend und oft schwierig. Denn selten haben wir als Kinder gelernt, uns oder auch andere mit ihren herausfordernden Gefühlen zu begleiten. Weil wir es selber nicht gut aushalten können, wenn ein anderer Menschen solche Emotionen erlebt, wollen wir es dann wegmachen. Trösten. Mitgefühl und Liebe schicken. Weil wir wollen, dass es der Person besser geht. Manchmal bleiben wir dann sogar in dem angenehmen Gefühl von „Liebe schicken“ stecken.
Aber darum geht es bei Mitgefühl nicht. Es geht nicht darum, etwas wegzumachen. Im Gegenteil, es geht darum, da zu sein, da zu bleiben. MIT dem, was grade ist. MIT all den unangenehmen Gefühlen und Empfindungen zu sein. Grade WEGEN all dem Ärger, der Wut, dem Frust, der Verzweiflung, der Einsamkeit…. Dann ist der Mensch, der mir gegenüber sitzt, nicht alleine mit seinen Erfahrungen und Gefühlen. Dann entsteht ein größerer Raum. Dann schenke ich Mitgefühl, nicht weil es meinem Gegenüber besser gehen soll, sondern weil es ihm schlecht geht. Nichts damit machen, sondern damit da sein. Das kann herausfordernd sein. Und so berührend und verbindend.
Echtes Mitgefühl mit einem Menschen zu haben, der mir nahe steht, ist etwas, was ich lernen kann und was die Verbindung tiefer weben kann. Dann habe ich ein Gegenüber, welches ich verstehe, weil seine Themen, sein Umfeld, seine Emotionen meinen ähnlich sind. Es fällt mir leichter, mich in die Person hineinzuversetzen.
Und wie ist es mit Menschen, die ich nicht verstehe – weil sie aus einer ganz anderen Kultur, Szene, Umfeld, sozialem Kontext, Realität etc. kommen.Wie kann ich mit Menschen, die ich nicht verstehe, die mir so fremd sind, Mitgefühl empfinden? Wie kann ich mit Menschen und ihren Empfindungen und Emotionen bleiben – ohne etwas verstehen zu wollen. Einfach nur auf der Basis unserer Verbindung. Weil wir den gleichen Moment auf diesem Planeten teilen. Und dadurch ein Teil dieses Lebensnetzwerkes sind. Das ist die Forschungsfrage, die mich umtreibt. Und die für mich mit jedem Tag an Bedeutung gewinnt. Grade in diesen Tagen, mit all den Konflikten auf der Welt.
Mitgefühl als Ausdruck unserer Verbindung, unseres Zusammenseins, unseres Miteinanders. Als Ausdruck dieser vielen kleinen Verbindungsfäden in diesem Netz. Mit allen Unterschiedlichkeiten, inmitten aller Konflikte und Kriege.
Das hört sich so an, als wäre es viel verlangt.
Ich glaube inzwischen, dass es sich soviel anfühlt, wenn wir an unserem kolonisierten Ego und unserer Individualität festhalten wollen. Wenn ich nicht nur kognitiv verstehe, dass wir alle verbunden sind, das mein Konsum hier im gut geheizten Deutschland Auswirkungen auf das Land hat, in dem das Produkt hergestellt wird. Sondern wenn ich beginne zu fühlen, dass mein Handeln, aber vor allem auch mein Denken und Fühlen zutiefst verwoben ist mit dem ganzen Lebensnetzwerk, vor allem mit den Lebewesen da wo ich lebe, mit der Luft die ich atme, mit dem Wasser, welches ich trinke, mit den Bäumen, den Insekten, den Säugetieren, den Wolken, den Sonnenstrahlen…. all diesen Aspekten des Lebens in ihrer Vielfältigkeit.
Dann ist Mitgefühl kein rosarotes Konstrukt mehr, mir welchem ich mir die Welt schön denken kann. Oder das mich blockiert. Denn dann kann ich meine Kapazität erweitern, um auch in den Schmerz und die Lebendigkeit, die Sehnsucht der Menschen in Nöten fühlen. Dann kann ich anfangen mich auch in nicht-menschliche Wesen einzufühlen. Dann ist Mitgefühl eine Praxis, unsere kolonisierten verkrusteten Gedanken und Gefühle aufzulockern und die Verbindung zu allem Lebendigen fühlen zu lernen.
Und dann habe ich eine Grundlage, eine Art fruchtbarer Mitgefühls-Boden, aus dem meine Aktivitäten in der Welt (und davon sind durchaus einige gebraucht) wachsen können. Geerdet und verankert in Mitgefühl.
Diese Art von Mitgefühl ist ein Weg, kein Ziel, welches ich erreichen kann. Ich kann nur heute wieder und wieder entscheiden, mich dem Leben zu öffnen, in all seiner Vielfalt, mit all dem Schmerz und der Vergänglichkeit die das Leben beinhaltet. Ein Teil sein. Mit Gefühl sein.
Its not the spider that is making the web. Its the web that is making the web.
the summer day – poem by Mary Oliver
/in Achtsamkeit, Allgemein, Gedichte, Naturverbindung/von katharinaWho made the world?
Who made the swan, and the black bear?
Who made the grasshopper?
This grasshopper, I mean-
the one who has flung herself out of the grass,
the one who is eating sugar out of my hand,
who is moving her jaws back and forth instead of up and down-
who is gazing around with her enormous and complicated eyes.
Now she lifts her pale forearms and thoroughly washes her face.
Now she snaps her wings open, and floats away.
I don’t know exactly what a prayer is.
I do know how to pay attention, how to fall down
into the grass, how to kneel down in the grass,
how to be idle and blessed, how to stroll through the fields,
which is what I have been doing all day.
Tell me, what else should I have done?
Doesn’t everything die at last, and too soon?
Tell me, what is it you plan to do
with your one wild and precious life?
Mary Oliver
Everything is beautiful and I am so sad
/in Achtsamkeit, Gedichte, Naturverbindung/von katharinaSpring – Poem by Mary Oliver
/in Achtsamkeit, Allgemein, Gedichte, Naturverbindung/von adminSomewhere
a black bear
has just risen from sleep
and is staring
down the mountain.
All night
in the brisk and shallow restlessness
of early spring
I think of her,
her four black fists
flicking the gravel,
her tongue
like a red fire
touching the grass,
the cold water.
There is only one question:
how to love this world.
I think of her
rising
like a black and leafy ledge
to sharpen her claws against
the silence
of the trees.
Whatever else
my life is
with its poems
and its music
and its glass cities,
it is also this dazzling darkness
coming
down the mountain,
breathing and tasting;
all day I think of her -—
her white teeth,
her wordlessness,
her perfect love.
Spring – a poem by Mary Oliver